Luftfahrt: Boeing erwartet neue Verzögerungen bei der „777-9“

Wenn alles einigermaßen nach Plan gelaufen wäre, dann hätte Boeing schon vor knapp sechs Jahren erstmals das neue Langstreckenflugzeug 777-9 ausgeliefert. Die Lufthansa und andere Fluglinien hätten damit von 2020 an ihre alternden Langstreckenflotten modernisieren können – doch die Airlines warten noch immer auf die neuen Flieger. Und es sieht ganz danach aus, als gäbe es noch mehr schlechte Nachrichten.
Boeing-Chef Kelly Ortberg räumte jetzt auf einer Investorenkonferenz ein, dass sein Unternehmen bei der Zulassung der 777-9 mit neuen Verspätungen kämpft. Wie gravierend diese sind, das wisse man bislang nicht. Es ist aber vorgesehen, den neuen Zeitplan im Oktober zusammen mit den Zahlen für das dritte Quartal zu veröffentlichen. Der bislang geltende Zeitplan sah vor, dass die Lufthansa die erste von insgesamt 27 Maschinen noch im nächsten Jahr bekommt. Ortbergs Äußerungen deuten nun darauf hin, dass dieser Termin nicht mehr zu halten sein könnte.
Ortberg macht für die neue Verzögerung die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) verantwortlich, die jede neue Phase bei den Zertifizierungsflügen freigeben muss, dies aber nur sehr langsam tue. Mit den Flugzeugen und Motoren sei technisch aber alles in Ordnung. „Wir können fliegen gehen“, sagte Ortberg, aber Flüge würden nicht für die Zulassung angerechnet, bis die FAA dies offiziell genehmigt.
Für große Kunden wie die Lufthansa oder Emirates sind die mutmaßlichen neuen Verspätungen ein schwerer Rückschlag. Vor allem die Lufthansa plagt eine völlig veraltete Langstreckenflotte, die immer teurer und aufwendiger in der Wartung wird. In Frankfurt stehen deswegen etwa 20 Prozent aller Großraumjets als Reserve am Boden, um bei einer technischen Panne eines anderen Flugzeugs eingewechselt zu werden.
Seit den Abstürzen der „737 Max“ schaut die Aufsicht viel genauer hinDie 777-9 ist eine modernisierte und verlängerte Version der Boeing 777, deren erste Generation im Jahr 1995 auf den Markt gekommen ist. Sie hat unter anderem neue Tragflächen und neue Motoren von GE Aerospace. Das Programm ist mittlerweile sechs Jahre verspätet, unter anderem wegen einiger technischer Probleme am Flugzeug selbst und mit den Triebwerken. Auch die Corona-Pandemie hatte Folgen.
Vor allem aber hatte die FAA nach den beiden verheerenden Abstürzen von Maschinen des Boeing-Typs 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 die Aufsicht über den Flugzeughersteller drastisch verschärft. Damals waren insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen. Inzwischen ist die Behörde deshalb viel genauer geworden, wenn es um die Zulassung neuer Versionen von Jets aller Hersteller geht.
Boeing hat sich deshalb bislang mit Kritik an der FAA zurückgehalten, doch Ortberg wurde nun deutlich: „Der Zulassungsprozess ist viel zu langsam“, sagte er. „Wir müssen mit der FAA daran arbeiten, dass das Pendel wieder zurückschwingt und einen Prozess schaffen, der funktioniert.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass Boeing ein neues Flugzeug entwickle, wenn das Verfahren so bleibe. Als Nächstes hat sich das Unternehmen vorgenommen, einen Nachfolger der 737 Max zu bauen, die große Marktanteile an den A320neo von Airbus verloren hat. Das Modell wird aber wohl nicht vor Mitte der 2030er-Jahre in der Luft sein.
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